Die Ehe für alle gibt es bislang nur für Männer 

Hört mal auf, die Ehe für alle zu feiern, denn es die Ehe gibt es bisher anscheinend immer noch nur für heterosexuelle Paare und für homosexuelle Männerpaare. Jedenfalls ist das, was ich heute Morgen in meiner Timeline lese. (Falls es nicht stimmen sollte, betrachtet das Ganze hierfür erledigt. Ich bin zur Zeit in den USA und unterwegs und daher nicht in der Lage, es jetzt ausführlich gegen zu checken. Falls es aber stimmen sollte, macht bitte einen großen Skandal daraus!) Wie ich gerade lese,  (Absatz Stiefkindadoption) sind lesbische Paare offenbar auch mit dem neuen Gesetz immer noch nicht rechtlich gleichgestellt. Denn bei Kindern, die in eine Ehe hinein geboren werden, gilt immer noch nicht automatisch die Ehefrau der Mutter als Elternteil, sondern muss das Kind weiterhin aufwändig und mühsam und teuer adoptieren. Bei heterosexuellen Paaren ist das anders, der Ehemann einer Mutter ist automatisch als Vater akzeptiert, auch wenn er aufgrund von längerer Abwesenheit zum Beispiel unmöglich der biologische Vater sein kann. Dies ist

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Homosexualität verlernen? Gute Idee.

Mit sehr großem Interesse habe ich dieses Buch gelesen, in dem es um die Frage geht, wie sich der westliche Diskurs über Homosexualität mit Nationalismus und rassistischen Zuschreibungen an „Migrant_innen“ verbindet. Mich hat das inzwischen Mainstream gewordene Verständnis, wonach Homosexualität eine gleichgeschlechtliche Kopie der bürgerlichen heterosexuellen Paarkonstruktion ist, noch nie wirklich überzeugt. Erstens weil ich glaube, dass aufgrund der unterschiedlichen Zugänge von schwulen, heterosexuellen und lesbischen Paaren zum Schwangerwerdenkönnen die Vergleichbarkeit an einem ganz zentralen Punkt aus rein körperlichen Gründen nicht gegeben ist, und zweitens, weil mir diese Parallelisierung auch aus politischen Gründen gar nicht wünschenswert erscheint, jedenfalls nicht für Frauen. Ich finde die in der Zweiten Frauenbewegung vertretene Sicht, wonach Lesbischsein in erster Linie eine persönliche und politische Lebensweise ist und keine Identität, fruchtbarer. Umso interessanter nun hier zu lesen, dass man auch aus ganz anderen Ecken her zu ähnlichen Einschätzungen kommen kann. Heinz-Jürgen Voß beschreibt im ersten Teil des Buches, wie ein identitäres Homosexualitätskonzept im 19. und frühen 20. Jahrhundert von westlichen schwulen Männern

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Besondere Umstände megaXtreme und mit Gast

Schon vor genau einer Woche haben Benni und ich wieder gepodcastet, diesmal unter besonders Besonderen Umständen, nämlich mit Gast: @communeva war zu Besuch. Deshalb wurde die Folge auch MegaXtreme – knapp über zwei Stunden! Leider war unser Host podcaster.de kaputt, weshalb wir die Folge erst gestern hochladen konnten. Unsere Themen diesmal: Sexualität, Gaza, Irrationalität (ja, merkwürdige Mischung). Weil auch die Blogseite von podcaster nicht richtig funktioniert, insbesondere nicht das Zurückspringen in ältere Folgen, habe ich dazu mal eine Übersicht angelegt. Just in case… Nun viel Spaß beim Zuhören!

Die weibliche Pflicht zu lieben, von Andreas Capellanus bis Eliott Rodger

„Ich bin der perfekte Mann, und ihr schmeißt euch trotzdem an diese ganzen anderen dämlichen Typen ran“ – so begründete Eliott Rodger seine Wut auf Frauen, bevor er sechs Menschen tötete. Dass das nicht einfach die Tat eines „Verrückten“ war, sondern im Kontext einer bestimmten Kultur geschieht, die Männern beibringt, dass sie – unter bestimmten Voraussetzungen – einen „Anspruch“ auf die Zuwendung von Frauen haben, wurde auf verschiedenen feministischen Blogs bereits gesagt, zum Beispiel hier auf Kleinerdrei, dort stehen auch weitere interessante Links. Es lohnt sich in diesem Zusammenhang, noch etwas genauer hinzuschauen. Denn die Art und Weise, wie sich dieser Anspruch konstituiert, ist komplex. Es ist ja keineswegs so, dass immer alle Männer einen Anspruch auf Sex (oder Zuwendung) aller Frauen hätten. Das Ganze ist vielmehr eingebettet in ein fest kulturell verankertes Geschlechterarrangement, das genau festlegt, welche Männer wann und warum einen Anspruch auf die Zuwendung welcher Frauen haben – und wann nicht. Diese Konstruktion von sexuellen Verpflichtungen zwischen Frauen

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Lesbische Männer

Das Schöne am Bloggen ist, dass man in den Kommentaren immer noch mehr Hinweise bekommt. So postete „Bellchen“ neulich unter meinem Blogpost über Tierethik einen Link zu einer Zeitschrift, in der auch ein Artikel zu dem Thema stand. Noch interessanter war aber die  Zeitschrift selbst, die ich nämlich noch nicht kannte: Sie heißt „Queerulantin“, und das Thema der betreffenden Ausgabe Nr. 6 (pdf) war „Lebensrealitäten von Girl Fags und Dyke Guys“. Ich hatte weder von dem einen noch von dem anderen bis dahin etwas gehört (das Konzept „queer“ ist eher nicht so meins), aber las mich schnell fest und fand heraus, dass es um schwule Frauen und lesbische Männer ging. Hä, fragen jetzt vielleicht einige, was soll das denn sein? Sind „schwule Frauen“ (also Frauen, die sexuell Männer begehren) bzw. eben „lesbische Männer“ (also Männer, die auf Frauen stehen), denn nicht ganz normale Heteras beziehungsweise Heteros? Nein, weil es bei Queer ja um mehr geht als darum, mit wem man

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Die Welt zu zweit sehen. Und: Liebe und Politik

Weil ich zur Buchmesse einer Mitarbeiterin des Passagen-Verlages eine Übernachtungsmöglichkeit organisiert habe, wurde ich mit einem Büchlein beschenkt: Alain Badious „Lob der Liebe“. Darin fand ich einen Gedanken, den ich interessant finde und hier festhalten will: Was ist die Welt, wenn man sie zu zweit und nicht alleine erfährt? Was ist das für eine Welt, die ausgehend vom Unterschied und nicht von der Identität erforscht, praktiziert und gelebt wird? (S. 27). Und weiter: Denn sie und ich, wir sind Teil dieses einzigen Subjekts, dieses Liebessubjekts, das die Entfaltung der Welt durch das Prisma unseres Unterschieds sieht, sodass diese Welt sich ereignet und geboren wird, anstatt nur das zu sein, was meinen persönlichen Blick erfüllt. (S. 29). Liebe ist also nicht eine „Verschmelzung“, ein „Einswerden“, aber auch nicht einfach nur eine Beziehung der Differenz zueinander, eine Art und Weise, sich zu einem oder einer Anderen in Beziehung zu setzen, sondern sie ist ein – wie Badiou es formuliert – „Wahrheitsverfahren“: Indem

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Romeo und Julia: Die Erregung des Verbotenen

„Die Liebe als Überschreitung, außerhalb des Gesetzes, als geächtet: Diese allgemeine Idee überwiegt im gängigen Bewußtsein wie in den literarischen Texten“, schreibt Julia Kristeva in ihren „Geschichten von der Liebe“ (201) über den westlichen Liebesdiskurs, und natürlich nimmt sie als Beispiel die wohl bekannteste Geschichte von „verbotener Liebe“: Romeo und Julia. Hunderte, Tausende und Abertausende von (ausschließlich heterosexuellen?) Paaren haben sich in Verona an den Wänden des angeblichen Wohnhauses der Julia verewigt und tun das auch weiterhin, in wer weiß wie vielen Schichten übereinander. Das Gewusel ihrer durch Herzen umrahmten Namen ist eine rührende Widerlegung der angeblichen „Einzigartigkeit“ jeder dieser Hoffnungen, ihre Liebesbeziehung bis zum bitteren Ende und gegen jede äußere Norm antrotzen zu lassen. Die sehnsuchtsvolle Bezugnahme heutiger Paare auf Romeo und Julia ist ja durchaus erstaunlich, denn, wie Kristeva bemerkt: „Die Geschichte des berühmten Paars ist im Grunde eine Geschichte des unmöglichen Paars: Sie lieben sich weniger lang, als sie sich auf das Sterben vorbereiten.“ (202) In einer

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Die Sache mit der „platonischen Liebe“

Selten versagt Wikipedia so grandios wie bei dem Versuch, zu erklären, was platonische Liebe ist. Und das ist ja auch nicht einfach zu verstehen: Schließlich hängt die Liebe bei Platon ganz klar mit dem Eros zusammen – also mit körperlicher Erregung, mit Sex – während gleichzeitig im Alltags-Sprachgebrauch unter „platonischer Liebe“ Liebe ohne Sex und Berührung verstanden wird. Wie ist es dazu gekommen? Bei einem Vortrag zum Thema „Freiheit braucht Liebe“ gestern in Biebesheim haben wir über das Thema gesprochen, und irgendwie wurde mir dabei plötzlich klar, wie das mit der platonischen Liebe vermutlich gewesen ist. Hier der Versuch, das weiterzugeben. Eine der zentralen Auseinandersetzungen Platons mit der Liebe findet sich im „Phaidros“. Darin behandelt er die interessante Frage, ob man seine Gunst einem Bewerber schenken soll, der in einen verliebt ist, oder lieber demjenigen, der die vernünftigsten Gründe für eine Beziehung anführt. (Platon hat nur Männer im Sinn, aber das Wesentliche des Gedankens lässt sich auf Menschen generell übertragen.) Sokrates plädiert hier in

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